Der Start des Projektes Blickpunk in 2023.
„Cool und lässig sitzen wir im Stuhlkreis. Der Appetit nach einem starken Kaffee ist groß. Man schaut sich nicht besonders interessiert an, lässt sich treiben. Und so wird laut gegähnt, sich geräuspert und das Stuhlbein kippelig immer wieder zum Quietschen gebracht. Die Luft füllt sich mit jedem Atemzug mehr mit einer bleiernen Schwere, die droht, einige der Anwesenden in einen tranceähnlichen Zustand abgleiten zu lassen. Wir schauen in müde Augen, die mal gelangweilt, mal sehr suchend dreinblicken. Die sich etwas suchen, das unterhaltsam genug erscheint. Oder die ins Leere starren und sich in die Weite träumen. In jedem Augenpaar ist etwas Tiefes erkennbar. Die Augen sprechen Bände. Sie erzählen von Schicksal, von Brüchen, teilweise von Wunden und Leid. Aber auch von Wut, Ohnmacht, von Abscheu, von Hass. Hin und wieder fordern sie ein anderes Augenpaar zum Duell heraus. Wer hält dem starren Blick länger stand? wer könnte mich verstehen?“ So bildhaft beschrieb die Projektverantwortliche die ersten Tage, als das Projekt Blickpunkt mit seinen Angeboten die Haftanstalten betreten durfte. Heute blicken wir voller Enthusiasmus in das aktuelle Projektjahr.
Im ersten Quartal des Jahres 2023 war der Bildungsträger erneut in der Arbeit mit straffällig gewordenen jungen Erwachsenen aktiv. In vier (Jugend-) Haftanstalten sind insgesamt neun Projektgruppen für das Jahr geplant. In der pädagogischen Arbeit des Projektes, welche unter den Schwerpunkten Extremismusprävention und Deradikalisierung erfolgt, werden u.a. Inhaftierte oder Probanden der Bewährungshilfe erreicht und Gruppensettings und Einzelberatungen genutzt. Beide Formate unterliegen pädagogischen Ansätzen, welche die Richtlinien für die konkrete Arbeit rahmen. Neben dem vereinseigenen SHAKEHANDS-Ansatz, der die Kombination aus Seminaren und Sport vorgibt und sich als wirkungsvoller Zugang zur Zielgruppe erweist, nutzt das Projekt den diskriminierungskritischen und bildungspolitischen Anti-Bias-Ansatz. Im Frühjahr 2023 startete eine interne Fortbildungsreihe zum letztgenannten Ansatz, um die Projektmethodik ausgehend aktueller wissenschaftlicher und praxiserprobter Erkenntnisse hierzu zu adaptieren. Wir bedanken uns an dieser Stelle beim Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment (in Trägerschaft der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V.).